das Leben eines Arbeiters im 19. Jahrhundert






Die Situation der Arbeiter im 19. Jahrhundert:

Obwohl die meisten Unternehmer Kalvinisten waren, also aus dem protestantischem Christentum stammten, Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Wohltätigkeit zu ihren Wertvorstellung zählten und sie sicher weder Unmenschen noch Sklaventreiber sein wollten, zwang der unerbittliche Konkurrenzkampf der freien Wirtschaft sie doch dazu, das Lohnniveau extrem niedrig zu halten, da die Höhe der Löhne direkt die Höhe des Gewinnes und damit den Erfolg und Bestand des Betriebes bestimmte.Damit brachten sie ohne dies zu wollen viele Menschen aus der Arbeiterschaft in große soziale Not.Die Arbeiter, die in der glücklichen Situation waren, einen Arbeitsplatz zu haben, verbrachten oft bis zu 14 Stunden am Tag in der Fabrik, bekamen wenn überhaupt maximal eine Woche Urlaub im Jahr und das oft auch nur, wenn sie bereits 10 Jahre von der Volljährigkeit an in dem Betrieb gearbeitet hatten, ohne Ausfälle aufzuweisen. Aber auch dann konnten sie den Zeitpunkt des Urlaubes nicht selbst bestimmen.Während der Arbeitszeit bestimmte der Takt der Maschinen den Arbeitrhythmus der Arbeiter in der Fabrik. Ein Verlangsamen des Arbeittempos oder gar eine individuelle Pause, um vielleicht eine Toilette aufzusuchen oder ähnliches, war nicht möglich. Zudem mussten sich die Arbeiter dem strengen Fabrikreglement unterwerfen, dass sowohl den Arbeitsablauf, als auch das Verhalten auf dem Gelände der Fabrik regelte, von den Arbeitern ein Höchstmaß an Disziplin einforderte und all das mittels harter Strafen durchsetzte.
Auszüge aus einer Fabrikordnung:
Die Arbeitszeit der Arbeiter, welches auch ihre Arbeiten sein mögen, wird vom Fabrikherrn nach den Umständen und der Jahreszeit bestimmt.
Jeder Arbeiter ist verpflichtet, länger als gewöhnlich und auch sonntags zu arbeiten, wenn es die Umstände verlangen.
Der Tagelohn gilt für 12 Arbeitsstunden.
Alle Arbeiter müssen auf den Glockenschlag auf ihre Arbeit gehen; sie verfallen durch Zu spät kommen in eine Geldstrafe von 6 Pfennig - 10 Silbergroschen je nach ihrem Lohn und den Ursachen.
Arbeiter, die gegen ihre Vorgesetzten widersetzlich oder ungehorsam sind, können ohne Aufkündigung entlassen werden.
Für die an Heimarbeit, in der Großfamilie auf dem Lande oder Zunft, gewohnten Arbeiter, war der Dienst in den großen Fabriken eine enorme Umstellung. Wenn auch die Fabriken der frühen Industrialisierung selten mehr als 300 Beschäftigte zählten, so war die Atmosphäre doch durch eine den Arbeitern unbekannte Anonymität geprägt. So war häufig sogar die unnötige Unterhaltung untereinander , genau wie alles andere von der Arbeit ablenkende, bei Strafe verboten. Die sonstigen Arbeitsumstände waren für heutige Vorstellungen unhaltbar. Die Räume vieler Arbeitsstätten waren viel zu dunkel und schlecht beheizt. Die Luft war voll mit Abgasen und Staub. Es war zugig und schmutzig . Die Arbeiter und Arbeiterinnen mussten oftmals die vielen Stunden ihrer Dienstzeit in ein und derselben Körperhaltung verbringen, also entweder an Maschinen stehend oder zum Beispiel an einem Webstuhl in gebückter Haltung sitzend. Diese Zustände führten nicht selten zu Berufsspezifischen Krankheiten und einem schnellen Verschleiß der Arbeiter und Arbeiterinnen. So kam es zu chronischen Entzündungen von Augen, Nase, Rachen und Kehlkopf bei einem Großteil der Beschäftigten in der Spinnerei. Im gleichen Betrieb traten aber auch auffällig häufig Muskelschwächen und Geschwüre an den Beinen auf. Dies betraf besonders die in den Fabriken beschäftigten Kinder, deren oft schwächliche, unterernährte Körper nicht für eine schwere körperliche Arbeit ausgestattet waren und somit sehr unter den Anstrengungen des Arbeitalltags litten, der auch für die Jüngsten, die nicht selten erst sechs Jahre alt waren, nicht weniger und häufig sogar mehr als 11 Stunden Arbeit bedeutete. Die Kinder wurden damit nicht nur einer unbeschwerten Kindheit beraubt und in den physischen Ruin getrieben, sondern ihnen wurde auch jede Chance auf eine Schulbildung genommen. Nur wenige Fabrikbesitzer ließen Fabrikschulen einrichten und dies häufig auch nur deshalb, weil sie sonst mit dem Gesetz in Konflikt gekommen wären. Die Schulzeit addierte sich jedoch noch zur Arbeitszeit dazu und war den übermüdeten Kindern wohl eher eine Last, als ein Sprungbrett in eine bessere Zukunft. Doch war ihr Arbeitseinsatz notwendig, um die Existenz der Familie zu sichern. Der Lebensstil der damaligen Arbeiterschaft ist sehr einfach. Das meiste Geld wurde in Lebensmittel investiert. Diese Lebensmittel sind vor allem Schwarzbrot, Kartoffeln und Hülsenfrüchte. Der Konsum von Fleisch, Zucker, Weißmehlprodukten und Obst stieg erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wieder an. Genussmittel wurden nur selten und wenig konsumiert. Eine Ausnahme stellt der von den zahlreichen Alkoholikern dieser Zeit sehr geschätzte (weil billige) Branntwein dar. Erst die spätere Phase der Industrialisierung, die ja dann auch zu einer allgemeinen Verbesserung des Lebensstandards aller Bevölkerungsschichten führt, bringt auch eine Aufstockung des Nahrungsmittelsortimentes mit sich. Der zweitgrößte Teil des Einkommens wird in die Miete investiert, die aufgrund des Wohnungsmangels oft enorm hoch ist. Die durch die Bevölkerungsexplosion in die Städte strömenden Menschenmassen, sprengen anfänglich den Rahmen der Unterbringungsmöglichkeiten. Wohnungen bestehen häufig nur aus einem Zimmer, das zugleich Wohn-, Schlaf- und manchmal auch noch Arbeitsraum ist. Nicht selten teilen sich mehrere Personen ein Bett und viele Familien sind auf die Einnahmen durch die Unterbringung von Schlafleuten angewiesen. Schlafleute sind ledige Arbeiter, die sich keine eigene Wohnung leisten können und sich deshalb gegen Geld zum Schlafen bei einer Familie einmieten und sich meist auch nur zu diesem Zweck und zu einer bestimmten Uhrzeit in den Räumlichkeiten aufhalten dürfen. Es kam nicht selten vor, dass eine Familie über 30 Schlafleute beherbergte.Da auch die Heizkosten für viele Arbeiterfamilien zu hoch waren, war die Küche mitunter der einzig richtig beheizte Raum, der Wohnraum hingegen blieb kühl. Sanitäranlagen waren entweder auf dem Treppenabsatz zwischen den Etagen oder gar nicht im Haus zu finden. Ein Bad in der Wohnung war nur ganz selten zu finden.Die Wohnungen selbst waren nur spärlich eingerichtet und befanden sich zumeist in mehrstöckigen Mietskasernen. Dies und die mangelnde Hygiene erschwerten die Abwehr und die Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten. Dies war besonders schlimm, da das Gesundheitswesen nicht genug ausgeprägt war und ein normaler Arbeitnehmer und Lohnempfänger sich auch keinen Arzt hätte leisten können. Es war kaum möglich die ausgefallenen Verdienste im Krankheitsfall auszugleichen. Längere Krankheiten waren damit automatisch mit einem sozialen Abstieg und völliger Verarmung verbunden. Auch gab es erst sehr spät Kranken- und Unfallversicherungen, die jedoch kaum das Existenzminimum sicherten, geschweige denn eine Familie versorgten.Hilfe von den verschiedenen karitativen Einrichtungen, oder auch von den kirchlichen Hilfsorganisationen anzunehmen, war immer mit einer gesellschaftlichen Schmach verbunden und wurde deshalb weitestgehend vermieden. Wer dennoch von diesen Gebrauch machen musste, hatte mit einem Entzug des Wahlrechts und ähnlichen Schikanen zu rechnen. Er war kein mündiger Bürger mehr.Wer noch größeres Pech hatte, wurde in eines der Arbeitshäuser verbannt, um vor dem Herumlungern und der daraus folgenden Unmoral geschützt zu werden.Für die, denen es etwas zu schnell gegangen ist, gibt es hier noch ein kleines Video